Raum und Zeit
Alles, was wir wahrnehmen und uns vorstellen, versetzen wir in Raum und Zeit. Den Raum erfahren wir nur, indem wir uns in ihm bewegen, und mit jeder unserer Bewegungen verstreicht Zeit, die wir erfahren. Wir erfahren den Raum nie ohne die Zeit. Kant als auch Einstein in seiner Relativitätstheorie kommen zu demselben Ergebnis: Raum und Zeit lassen sich erfahrungsgemäß nicht voneinander trennen. Kant (1724-1804) verbindet die Raum- und Zeittheorie miteinander. Ebenso wie der Raum, ist ihm die Zeit sinnliche Form, und zwar Form des inneren Sinnes und transzendentaler Idealität. Die Bildung der Zeitvorstellungen erfolgt vornehmlich auf Grund von Tast – und Gehörempfindungen. Bei der Bildung der Zeitvorstellung durch den Tastsinn sind es nicht allein die äußeren, sondern auch die inneren Wahrnehmungen, aus denen wir uns eine Zeitvorstellung zusammenreimen.
Kronos en Kairos
Kronos (griechisch Χρόνος Zeit) ist in der griechischen Mythologie die Personifizierung der Zeit.Kairos (griechisch Καιρός) ist ein religiös-philosophischer Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenutztes Verstreichen nachteilig sein könnte. In der griechischen Mythologie wurde der günstige Zeitpunkt als Gottheit personifiziert. (Wipikedia)
Kairos ist in der griechischen Mythologie der jüngste Enkelsohn von Kronos der für Wechsel, Veränderung und Einsicht steht. Er wird als junger athletischer Gott abgebildet. Er ist bis auf eine Locke (Haarschopf) kahlgeschoren. Die Haarlocke muss im richtigen Moment ergriffen werden. Wer zögert und sich nicht entschließen kann, gleitet am kahlgeschorenen Haupt ab. Verpasst man den rechten Zeitpunkt sein Leben zu verändern, hat man die Gelegenheit vertan. Im Volksmund besteht der Aus druck, dass man die Gelegenheit beim Schopf ergreifen soll. Kairos die Gottheit des richtigen Zeitpunks (Augenblicks) symbolisiert auch die Zeit des Neubeginns, des Durchbruchs, der Intuition, der Einsicht und der Tatkraft. Kronos verkörpert die messbare lineare Zeit die Struktur und Kontinuität in der Welt anbringt und ein Muster der sich ewigen wiederholender Abläufe prägt. Kronos steht für universelle, statische und quantitative Zeit. Kairos dagegen ist Sinnbild des subjektiven, dynamischen und qualitativen Moments. Es ist nicht die Kontinuität einer chronologischen Linie, sondern die Unterbrechung, das Innehalten des Zeitablaufs die zu neuen Einsichten und Veränderungen führen kann. In einem Augenblick der Übereinkunft von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft offenbart sich ein visionärer Moment. Im Augenblick der Authentizität des Seins (Kairos-Moment) entsteht ein Bruch mit der Chronos-Zeit, es entsteht eine Erfahrung mit der Anfänglichen Zeit. Diese Erfahrung führt oft zu einem Wendepunkt, einer Intuition, neuer Kreation oder einem Neuanfang. Durch Ungeduld und Ruhelosigkeit verpassen wir den Moment der Entstehung einer neuen Idee. Den richtigen Augenblick (Invention) abwarten, um ins Geschehen eizugreifen, oder einer Eingebung (Inspiration) zu folgen, eröffnet die Idee, Kehrtwende, Neubeginn, oder die Schaffung (Kreation) neuer Werke. Jedes Mal, Die wenn wir etwas Neues erschaffen erfinden wir uns selbst. Das wiederholt sich Zeitlebens und immer wieder aufs Neue. Neuanfang ist ein sich öffnen für das Ungewisse, Unerwartete, Unvorhersehbare, ein Balanceakt von Spontanität und Besonnenheit, Inspiration und Weisheit, Wachsamkeit und Geduld. In der Verschmelzung des sakralen göttlichen mit dem profanen menschlichen erfahren wir das Transzendente, eine Erfahrung die lineare (chronologische) Zeit unterbricht. Die Zeit wird angehalten in einem « Ewigen Augenblick». Die Unterbrechung der chronologischen Zeit, übersteigt das rationale Wesen im Menschen, es kommt in Kontakt mit dem Übersinnlichen, Irrationalen. Es entsteht eine Schnittstelle, das Aufeinandertreffen von Zukunft und Vergangenheit, eine Zeiterfahrung, reflektierend in die Vergangenheit und antizipierend in die Zukunft. In dieser Zwischenzeit wird die chronologische weltliche Zeit angehalten; man erfährt eine sakrale universelle ewige Zeit. Dieses ewig dauernde Jetz unterscheidet sich von der chronologischen Zeit, die sich in aneinanderreihende Abschnitte aufteilt und als vergänglich erfahren wird. Es ist der „unbewachte Augenblick„ der es ermöglicht die alltäglichen Geschehnisse hinter sich zu lassen und uns die Sicht auf das ewig dauernde , universelle eröffnet. In dieser „nicht Zeit“ entsteht Raum für neue Gedanken, Kreativität und Schöpfungen. Es entsteht eine Verinnerlichung der Zeit, die wahre Authentizität des Seins.
Franz Immoos 2020
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